Nachhaltig bauen und wohnen

Neubau eines 12-Familienhauses in Heimenkirch.

Leistbaren Wohnraum schaffen und dabei die Ökologie und Ökonomie nicht außer Acht lassen – das vereint ein Bauvorhaben in Heimenkirch, bei insgesamt 12 Wohnungen entstanden sind. Mehr zu diesem außergewöhnlichen Bauvorhaben hat Innenarchitektin Anna Höss im Interview verraten.

Frau Höss, das Projekt, das Sie in Heimenkirch realisiert haben, beruht auf einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit und einem besonderen Wunsch. Verraten Sie uns mehr darüber?

Aber klar. Florian Haslach, seines Zeichens Zimmerer mit eigener Zimmerei, und ich wollten schon länger gemeinsam ein nachhaltiges Wohnbauprojekt umsetzten. Der Anspruch an Architektur und nachhaltiges Bauen verbindet uns als Architektin und Handwerker. Wir sind davon überzeugt, dass beides gut vereinbar ist: Architektur, nachhaltiges Bauen und Qualität. Aber vielmehr war da auch noch der Wunsch leitbaren Wohnraum zu schaffen: Wir wollten ein modernes, werthaltiges, nachhaltiges, ökologisches und stylisches Holzhaus planen und bauen, in denen wir 12 Wohnungen zur Miete anbieten. Dabei wollten wir gar nicht für uns bauen, sondern für Andere. Uns war es wichtig, jedem die Möglichkeit auf leistbaren Wohnraum mit Mehrwert und hoher Lebensqualität geben. Bei den meisten Wohnbauten steht nur die Rendite im Vordergrund und bei ökologischen Bauten ist es nur die Bauweise, die zählt.

Bei den meisten architektonischen Projekten wird heute wenig auf Ökologie oder Ökonomie geachtet. Aber wir haben alle drei Aspekte versucht zu vereinen und eine idealistische Vision umgesetzt. Auf Grund unserer beiden Berufe konnten wir natürlich Hand in Hand arbeiten und sowohl im Planungsprozess als auch in der Ausführung einen sehr kurzen und effizienten Weg gehen. Daher traten wir bei diesem Bauvorhaben sowohl als Bauherrschaft, Architekt und ausführende Firma auf. Florian Haslach ist privater Bauherr und, wie bereits erwähnt, Zimmerer. Daher hat er die kompletten Holzarbeiten (Zimmerer- und Schreinerarbeiten) ausgeführt. Ich habe die Planung, inklusive Architektur und Hochbau sowie die Entwürfe übernommen.

Was möchten Sie mit diesem Bauvorhaben zum Ausdruck bringen?

Wir wollen kein dogmatisches Denken oder idealistisches Leben predigen. Doch wir möchten mit diesem Projekt ein Zeichen setzen und zeigen, dass man mit guter Planung, cleveren Entscheidungen und mit bewusstem Verzicht auf unnötigen Luxus Etwas für die Zukunft erschaffen kann. Einen Wohn- und Lebensraum, der einem Freude macht und gut tut. Der bewusste Umgang mit Ressourcen, die Schöpfung von mehr Wohnraum und somit die Nachverdichtung in der ländlichen Gegend liegt uns am Herzen. Wir finden dass wir ein Vorzeigeprojekt geschaffen haben. Ein Appell an alle, dass Bauen nachhaltig und ästhetisch ansprechend sein kann.

Neben dem ökologischen und ökonomischen Faktor, wodurch zeichnet sich das Mehrfamilienhaus noch aus?

Das 12-Familienhaus ist ein Massivholzbau. Die Tiefgarage und der vertikale Erschließungskern bestehen aus (Sicht-)Beton. Das Erd-, Ober und Dachgeschoss wurden komplett in Massivholz-Bauweise errichtet. Die Außen- und Innenwände wurden in Brettsperrholz errichtet und nicht weiter verkleidet. Im Außenbereich haben wir auf eine langlebige aber doch natürliche Fassade gesetzt. Die beiden Gebäude sind komplett geschindelt. Diese Form der Ausführung ist nicht zuletzt Florian Haslach zu verdanken, der mit seiner Zimmerei viel Erfahrung im Bereich Schindeln hat. Somit entsteht eine wirklich traditionelle Allgäuer Formensprache. Der Charakter der Gebäude fügt sich harmonisch in die Umgebung ein und wird mit ihr zu einer gelungenen Einheit.

Ihr Steckenpferd ist die Innenarchitektur. Worauf haben Sie bei diesem Bauprojekt innenarchitektonisch gesehen besonderen Wert gelegt?

Wir haben den Innenausbau bewusst reduziert und auf das Minimalste heruntergebrochen. So wurden die Massivholzwände nur weiß gekalkt, um dem Naturholz einen gewissen Schutz zu geben. Auch der Fußboden ist reduziert. Bei den Türen und Fenstern haben wir auf die Verarbeitung von hochwertigem Eschen-, Lärchen- und Fichtenholz geachtet. All die natürlichen und werthaltigen Materialen geben dem Wohnraum viel Wärme und Wohnlichkeit. Gleichzeitig bilden sie einen guten Gegenspieler zu dem geschliffenen Estrich und zur Sichtebtonwand. Der klar strukturierte Grundriss der Wohnungen mit der offenen Küche, die zwischen Schlaf und Wohnraum positioniert ist, nutzt die Grundfläche optimal aus. Die nach Osten ausgerichteten Schlafräume fangen die Morgensonne ein und der nach Westen ausgerichtete Wohnraum mit Essplatz macht sich die Abendsonne zu Nutze.

Die Badezimmer richten sich immer an der äußeren Seite der Gebäude aus und bieten somit eine natürliche Belichtung und Belüftung. Große Fensterflächen bringen viel Tageslicht in die Wohnräume und sorgen so für eine helle und freundliche Atmosphäre. Die großen Sitzfenster im Erd- und Obergeschoss sowie die raumhohe Verglasung im Dachgeschoss sind beeindruckend und raumprägend. Alle Wohnungen verfügen zudem über eine Terrasse, einen Balkon oder eine Dachterrasse. Eine weitere Besonderheit ist der Einbau von den Schreinerküchen in naturbelassener Esche mit einer Edelstahl-Arbeitsplatte und Spritzschutz. Zudem haben wir sinnvolle Grundrisse entwickelt, auf denen wenig Fläche als Verkehrsfläche genutzt werden muss. Eine offene Wohnsituation und eine logische Raumabfolge ermöglichen effizient nutzbare Wohnungen. Ebenso konnten alle Räume so angeordnet werden, dass in einem Installationsschacht vom Untergeschoss bis hoch zum Dachgeschoss die Installation äußerst einfach und kurz gehalten werden.

Gab es während der Planungs- oder Bauphase irgendwelche Herausforderungen?

Die gibt es fast immer (lacht). Bei diesem Bauvorhaben stellte uns das Grundstück und die vorgegebene Bebauung zunächst vor eine Herausforderung: Denn das 1.558 Quadratmeter große Grundstück durfte nur zu einem Drittel bebaut werden und ließ viel Grünfläche übrig, die gestaltet und nützlich geplant werden musste. Auch wenn wir viel Außenfläche hatten, stand es nicht zur Diskussion die benötigten Stellplätze oberirdisch zu planen. 12 Wohnungen benötigen mindestens 18 Stellplätze. Diese konnten wir zum Glück alle im Untergeschoss unterbringen. Somit waren die Außenflächen frei für eine gute Bepflanzung. Die Zusammenarbeit mit bs landschaftsarchitekten in Lindenberg brachte das beste Ergebnis und eine tolle Außenanlage mit Sträuchern, Bäumen, Stauden und Blumenbeeten hervor. Insgesamt eine sehr gelunge Einbettung der zwei Baukörper in die Natur.